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Wanja muß zum Tierarzt

   

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Wanja, unser einst wilder Bauernhofwelpe, hat sich mittlerweile zu einem stattlichen einjährigen Schmusetiger entwickelt. Sein Hunger nach Streicheleinheiten ist schier unersättlich. Wenn ich abends nach Hause komme, macht er sich sofort auf meinem Schoß breit und genießt in vollen Zügen, geknuddelt und gekrault zu werden. Gewöhnlich erinnert nichts mehr daran, dass er die ersten vier Monate bei uns als fauchendes und spuckendes Mini-Monster im Kleiderschrank verbracht hat.
Vor einigen Wochen fiel mir ein, dass die jährliche Impfung ansteht. Ein kurzer Blick in den Impfpass bestätigte meine Befürchtung. Nur zu deutlich stand mir der letzte Tierarztbesuch vor Augen: Ein panischer Minikater, der vergeblich versuchte, an der glatten Wand hochzuklettern, eine beherzte Tierarzthelferin mit einer Decke, Fauchen, Geschrei, Blut - kurz: ein Horrorszenario, an das mich auch die Narben an meinen Händen und Armen noch gelegentlich erinnern. Damals war er drei Monate alt - heute ist er ein Muskelpaket, schoss es mir durch den Kopf. Es galt also eine Möglichkeit zu finden, ihn in die Praxis zu bringen, ohne ihn in Panik zu versetzen. Unser erster Anlauf verlief niederschmetternd. Schnell, blitzschnell wollten wir sein. Katze schnappen, Klappe zu und ab zum Tierarzt, so hatten wir uns das zumindest vorgestellt. Also holten wir die Transportbox hervor, schnappten Wanja, hatten ihn auch schon drin. Wir waren wirklich schnell- aber Wanja war schneller. Es blieb uns nichts anderes übrig als zu kapitulieren und den niedrigen Schrank zu verfluchen, unter den sich unser Kater geflüchtet hatte.
Wir packten also die nichtsahnende Baghira ein und brachten sie zum Jahrescheck.
Schlauer wollten wir es dann in der folgenden Woche anstellen. Wir machten extra früher Feierabend, erwähnten natürlich auch den Tierarzt nicht in Wanjas Anwesenheit. Box hochkant, Kater am Nacken schnappen und blitzschnell sein- so unsere Strategie. Was soll ich sagen: schon die Tatsache, dass wir plötzlich um 16 Uhr zu Hause eintrudelten, weckte Wanjas Argwohn. Manche Katzen haben da wohl einen siebten Sinn. Er versteckte sich hinter einem Blumenkübel und ließ sich bis 19 Uhr nicht anfassen. Hinterher holte er sich seine Streicheleinheiten ab wie sonst auch. Wer hat ihm nur die Sprechzeiten der Tierklinik verraten?
Uns blieb nichts anderes übrig, als den ahnungslosen Helmut einzupacken und wenigstens ihn impfen zu lassen.
Dritter Anlauf - wir waren wild entschlossen, Wanja diesmal auszutricksen. Vom Tierarzt hatten wir uns vorsorglich eine Beruhigungspille geben lassen. Samstags morgens sind wir auch normalerweise zu Hause, er sollte also keinen Grund zum Argwohn haben. Zum Frühstück gab es Schinken, für Wanja sonst eine unwiderstehliche Verlockung. Ich präparierte also ein Stückchen der Leckerei mit der pulverisierten Pille und reichte sie Wanja, der sich bereits mit großen hungrigen Augen vor mir platziert hatte. Einmal kurz geschleckt, und schon lag der Schinken auf dem Boden und Wanja saß beleidigt auf dem Kratzbaum, natürlich ganz oben. Kaum der Erwähnung wert, dass er sich nicht mehr runterlocken ließ. Nur Max hat die Situation erkannt. Ehe ich reagieren konnte, war der Schinken in seinem Mäulchen verschwunden. Selten habe ich ihn so entspannt erlebt, wie bei seiner diesjährigen Impfung.
Schließlich entschieden wir uns für den verhaltenstherapeutischen Ansatz. Die böse Transportbox stand zwei Wochen lang in unserer nicht gerade großen Küche. Futter gab es nur noch im Transportbehälter. Alle Miezen waren zwar erstaunt, futterten aber brav in der Kiste, sogar Wanja. Ich besorgte eine Flasche Baldriantropfen und beträufelte damit am Nachmittag ein Handtuch, das ich in die Box legte. Mäxchen war begeistert und okkupierte den Behälter umgehend. Verzückt wälzte er sich in einer Baldrianwolke und schickte sich alsbald an, ein Nickerchen zu machen. "Nur keine Hektik aufkommen lassen", beschloss ich. Als Max sich ausgeruht und ausgiebig gewaschen hatte, verließ er beschwingt die Wohnung, um sein Revier zu kontrollieren. Dann war Helmut an der Reihe: Er schleckte am Baldrian, wälzte sich und war ebenfalls begeistert. Als Wanja nun endlich begann, die Quelle des Wohlgeruches näher zu inspizieren, waren zwei Stunden vergangen. Das Telefon läutete und als ich das Gespräch beendet hatte, hatte Wanja das Interesse am Baldrian schon wieder verloren...
Also half nur noch eines: Ich stellte einen Napf mit Futter in die Kiste. Wanja begab sich in die Box, ich schloss ganz ruhig die Klappe und wir hatten ihn. Endlich! Er tobte, fauchte und brummte zwar wie erwartet, beruhigte sich dann aber während der Fahrt. Zum Glück mussten wir nicht lange warten. Die Tierärztin wunderte sich nur ein wenig, dass wir unserer Mieze Proviant in die Kiste gestellt hatten.
Im Sprechzimmer war Wanja angsterstarrt: Er ließ sich brav in Mund und Ohren sehen und nahm - wohl in Erwartung schrecklicher Misshandlungen - kaum wahr, dass er gewissenhaft abgetastet und drei mal gepiekst wurde. Kein Mucks war zu hören, keine Fluchtversuche, kein Tropfen Blut floss. Allerdings schaffte er es, sich selbst an dem glatten Metallbehandlungstisch festzukrallen...
Wieder zu Hause, versteckte er sich erst einmal unterm Schrank. Tagelang würdigte er uns keines Blickes, wenn er an uns vorbeilief, von Schnurren und Schmusen ganz zu schweigen. Wie können Dosies auch nur so hinterlistig sein! Jedenfalls waren wir nicht weniger erleichtert als Wanja, dass wir diesen Pflichttermin endlich hinter uns hatten. Und freuen uns schon auf das nächste Jahr...

© Monika Wolz, Marbach

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