Ich habe Ihre Katze totgeschlagen

von John M. Allen

Heute morgen habe ich ihre Katze umgebracht; die schwarzweiße mit dem seidigen Fell, ein niedliches Tier, etwa drei Monate alt. Sie hat mir so leid getan. Als sie da blutend mit offenen Augen im Gras lag und leise wimmerte, habe ich ihr eine Zeitung über den Kopf gelegt und mit einem Spazierstock kräftig zugeschlagen. Viermal, um sicherzugehen.

Ich dachte, das interessiert Sie vielleicht. Es war ja Ihre Katze, und Sie müssen sie sehr gern gehabt haben, denn sie lief stets vertrauensvoll vor Ihnen her und strich um Ihre Beine, weil sie auf den Arm genommen und gestreichelt werden wollte. Ich habe gemeint, Sie müssten erfahren, wie sie umgekommen ist: Zwei Hunde aus der Nachbarschaft trieben sie vor unserer Tür in die Enge und zerbissen ihr schließlich das Rückgrat. Natürlich hat sie sich gewehrt; ihre markerschütternden Schreie haben mich geweckt. Aber die Hunde waren zu groß und Ihr Kätzchen zu klein, zu jung. Deshalb habe ich es von seinem Leiden erlöst. Ich hatte keine Wahl. Sie hingegen hatten die Wahl. Jahr für Jahr lassen zahlreiche Urlauber ihre Katzen vor unserer Tür zurück und hoffen, auf dem Bauernhof gegenüber würden sie ein neues Zuhause finden. Die meisten haben es da auch gefunden, wenigstens eine Zeit lang. Aber Katzen vermehren sich, und plötzlich sind es zu viele. Ich habe den Bauern nie gefragt, was aus ihnen geworden ist. Ich wollte es gar nicht wissen.

Vielleicht wollten Sie es auch gar nicht wissen, dass ich Ihr Kätzchen erschlagen habe. Sie denken vielleicht lieber an die Freude, die Ihre Kinder den ganzen Sommer lang an ihm hatten, während aus einem noch blinden Wollknäuel ein tapsiges Wesen wurde, das sich schließlich zum kleinen Jäger mauserte. Sie sehen es sicher noch zusammengerollt am Fußende Ihres Bettes liegen und sich in den warmen Sonnenstrahlen räkeln.
Aber Sie müssen weiterdenken. Denn eine Verantwortung, die man einmal übernommen hat, lässt sich nicht einfach abschütteln. Sie haben an Ihrer Katze Freude gehabt und Ihre Kinder auch. Und irgendwie haben Sie es fertiggebracht, Freude und Verantwortung voneinander zu trennen. Gewiss, Sie haben vermutlich Ihre Kinder gelehrt, was Tierliebe ist und Freude am Spiel, und Sie haben ihnen die Schönheiten der Natur nahegebracht. Aber Sie haben ihnen auch gezeigt, dass man etwas wegwirft, wenn es einem nicht mehr in den Kram passt. Sie haben Ihre Kinder gelehrt, die Verantwortung einfach auf Andere abzuschieben. Sie haben sich aus Bequemlichkeit eingeredet, dass Ihre Katze dort glücklich sein werde – immer mit frischer Milch versorgt. Sie haben sich vielleicht weisgemacht, sie werde sich bei den anderen Katzen viel wohler fühlen.

Ihr Kätzchen muss sehr an ihnen gehangen haben, denn es lief nicht in die Scheune zu den anderen Katzen, sondern über die Straße, weil es mit unseren Kindern spielen wollte. Dort haben ihm die Hunde das Rückgrat zerbissen. Und dort musste ich Ihre Katze erschlagen. Und das alles, weil Ihnen nichts mehr an ihr lag. Denn sonst hätten Sie es nicht getan. Schon die Verantwortung hätte Sie hindern müssen. Wenn Ihnen wirklich etwas an ihr gelegen hätte.

Aus “The New York Times” – “Das Beste”